Prävention

90% aller Vergiftungen beim Pferd hätten vermieden werden können.

Toxikologen der Vergiftungszentren

Vergiftungsnotfälle mit Pferden steigen ständig.

Erfahrungen vieler Veterinäre

Zwei Tatsachen, die jeden Pferdehalter/in nachdenklich machen und dazu führen muss, zunächst eine Gefährdungsbeurteilung seiner Pferdehaltung zu machen. Jeder Pferdehalter/in ist nach dem Tierschutzgesetz verpflichtet die Gefährdungen der Pferde zu beurteilen und hieraus die erforderlichen Schutzmaßnahmen (hier die Vergiftungsprävention) abzuleiten. Zu dieser nüchternen Bestandsaufnahme gehört:

  • Bestandsaufnahme aller Pflanzen im Bereich der Pferdehaltung und Einordnung nach giftig und ungiftig
  • Giftpflanzenliste mit dem Zusatz, unter welchen Bedingungen die Pferde Zugang haben und wie hoch das Vergiftungspotential ist.
  • Eine verbindliche To- do- Liste, wie und wann die Vergiftungsgefahr minimiert bzw. abgestellt wird.
Rhododendron kann jederzeit von den Pferden erreicht und gefressen werden. Bereits 10 gefressene Blätter lösen Vergiftungen beim Großpferd aus. Das Vergiftungspotential für die auf der Weide stehenden Pferde ist sehr hoch und erfordert sofortiges Handeln. Folgende Möglichkeiten bieten sich: Weide sperren, Zaun versetzen, Pflanze entfernen oder versetzen. (Die Erdung des Weidezaunes bis zum Schwinden der Hütesicherheit und den nicht auf der inneren Zaunseite befestigten Zaunlatten soll nicht übersehen aber hier jetzt nicht diskutiert werden.

Da Vergiftungsfälle nie ganz auszuschließen sind, muss ein Pferdehalter/in sich auf einen eventuellen Vergiftungsnotfall vorbereiten. Dazu ist es notwendig, dass …

  • … eine Notrufmöglichkeit mit entsprechenden Notrufnummern ständig zur Verfügung steht.
  • … Verhaltensabläufe mit allen Beteiligten besprochen und verbindlich festgelegt werden.
  • … Verhaltensrichtlinien für alle Beteiligten jederzeit z.B. als Poster vorliegen.
  • … bei Fortbildungen der praktische Ablauf/Umgang bei einem Vergiftungsnotfall eingeübt wird.

Welche Pflanzen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit giftig für Pferde?

Grundsätzlich problematisch sind Immergrüne Pflanzen und Frühjahrsblüher und erfordern eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Vergiftungsprävention der Pferde. Diese grundsätzliche Vorsicht ist deshalb angeraten, weil sowohl die immergrünen Pflanzen und die Frühjahrsblüher im besonderen Fokus der Weichtiere steht, weil die Weiden noch wenig frisches Futter bieten. Würden sich diese Pflanzen im Winter und im frühen Frühjahr nicht durch Gift schützen, wären sie längst durch Verbiss ausgerottet. Deshalb sollten Pferdehalter/innen bei ihrer Gefahrenanalyse zunächst einmal einen Blick auf die immergrünen Pflanzen und Frühblüher werfen.

Auch der als Hecke so beliebte Liguster gehört zu den hochgiftigen, immergrünen Pflanzen. Bereits 100 g können ein Pferd umbringen.

Warum erleiden besonders Pferde so häufig Vergiftungen?

Pferde werden seit ca. 6.000 Jahren vom Menschen mehr oder weniger intensiv züchterisch bearbeitet. Dabei ging und geht es immer nur um die Optimierung des Exterieurs, damit das Haustier Pferde schneller, ausdauernder, raumgreifender, bequemer, größer, kräftiger, usw. entsprechend seines Nutzungseinsatzes wird. Nie aber wurde in den vergangenen 6.000 Jahren das Interieur, also z.B. das Atmungs-, Kreislauf-, Verdauungs-, visuelles, optische System sowie die durch die Evolution festgeschriebenen Verhaltensweisen züchterisch bearbeitet. Das ist der Grund, warum unsere heutigen Pferde, egal wie sie aussehen und wie sie sich bewegen, immer noch die an den ursprünglichen Lebensraum, die asiatischen Steppen, und die ursprüngliche Lebensweise (Herden-, Fluchttier) angepasst sind.

Pferde in der mongolischen Steppe

Gras macht Pferde glücklich

Hier in der Steppe wächst vorrangig eine Grassorte (Federgras), keine Bäume und Kräuter. Wenig Möglichkeiten, sich beim Grasen zu vergiften

In der Steppe wächst Gras. Nur Gras. An diese aride Landschaft sind unsere heutigen Pferde immer noch optimal angepasst. In den weiten Steppen Asiens wachsen keine Bäume und nur ganz wenige Kräuter, die sich dann auch noch ihr Überleben durch ausgesprochen schmerzhafte Stacheln sichern. Nun aber leben unsere Pferde nicht mehr in der Steppe, sondern im humiden, artenreichen Mitteleuropa mit einer unendlichen Vielzahl an Bäumen, Büschen, Kräutern und Gräsern. Dabei sind alle Pferde immer noch an die Grasmonokulturen angepasst und haben nie Strategieen im Umgang mit derart artenreichen Vegetationen entwickelt und genetisch fixiert. Unsere Pferde sind schlichtweg mit unserer mitteleuropäischen Landschaft überfordert und können die Gefahren dieses fremden Lebensraumes nicht richtig einschätzen. Und dann passiert es, sie fressen Eibe, knabbern am Bux, schälen die Rinde der Akazie, nehmen im Herbst die Chance wahr, Eicheln und Bucheckern zu fressen, und erliegen dem hundertfach lauernden Risiko. Die einen mehr, die anderen weniger.

Pferde an einer Oase der Wüste Gobi

Pferde wissen schon was gut für sie ist?

Pferdehalter und Pferdehalterin haben es im Internet schon gelesen: Pferde vergiften sich nicht, denn die wissen selber, was ihnen gut tut und was sie umbringt. Das ist leider Blödsinn! Alleine die Erfahrungen der veterinärmedizinischen Vergiftungszentren sprecht eine andere Sprache! Pferde fressen Giftpflanzen! Ich selber kenne eine Tierärztin, selber erfahrene Pferdehalterin, die immer behauptet hat, dass ihre Pferde genau wissen, was giftig ist und was nicht. Deshalb standen direkt an der Pferdeweide mehrere Eiben. Ich hatte mal was dazu gesagt, meine Bedenken wurden aber rasch weggewischt. Bestimmt erst nach 10 Jahren lagen plötzlich drei Pferde tot auf der Weide. Sie hatten Eibe gefressen. …Wer sich mit der Entwicklung des Pferdes und dem ursprünglichen Lebensraum, der Grassteppe, ein wenig beschäftigt hat, für den ist es kein Wunder, dass Pferde nicht durch Selektion „genetisch gelernt“ haben, was Giftpflanzen und was Futterpflanzen sind. In der Monokultur der Steppe war diese Fähigkeit kein Selektionsmerkmal.

Planzen sind ja Natur und deshalb nicht giftig?

Auch dieser Gedankengang geistert durch das weite Internet. Macht diesen Satz aber nicht wahrer. Fest steht, dass es wenig Sinn macht, zwischen natürlichen (=weniger giftig) und chemischen (=hochgiftig) Wirkstoffen zu unterscheiden. Fakt ist, dass nahezu ausnahmslos die in der Natur vorkommenden Gifte deutlich gefährlicher sind, als die sog. chemischen Wirkstoffe. Die potentesten Giftstoffe kommen in der Tat aus der Natur. Nur zur Überlegung: Das von natürlichen Bodenbakterien hergestellte Botulinusgift ist 3oo-millionenfach giftiger als die chemisch hergestellte Blausäure. Das Rizinusgift ist immerhin noch 25-tausendfach sowie das Schimmelgift Aflatoxin auch noch 50 mal giftiger als das chemisch hergestellte Mordgift Strychnin, welches in Bereichen von 20 -100 mg beim Menschen tödlich wirkt. Diese Liste ist noch lange nicht geschlossen … .

Rizinus ist 25-tausendfach giftiger als Blausäure. Die Natur ist nicht immer mindergiftiger.

Pferde sind keine Menschen und keine Kühe

Wenn es um Giftgefahren für Pferde geht, dann reagieren Pferde manchmal genauso wie Menschen, ganz oft aber auch ganz verschieden. Folglich müssen Gifte und ihre Wirkungen beim Pferd besonders beurteilt und mögliche Vergiftungen auch so behandelt werden. Aus diesem Grund ist es nicht zielführend, unkritisch im Internet irgendwelche Ratschläge, die fürMenschen, Hunde oder Kühe gelten, zu Rate zu ziehen. Generell aber gilt, dass Pferde relativ empfindlich auf Giftstoffe reagieren. Ganz besonders empfindlich reagiert das Herz- Kreislaufsystem. Das ist der Grund, warum Pferdehalter/innen im Falle einer möglichen Vergiftung beim Pferd zu jeder Zeit damit rechnen müssen, dass das Pferd kollabiert, also zusammensackt. Dramatisch ist das, wenn ein Großpferd mit der Körpermasse von 600 kg einen Menschen unter sich begräbt oder in einer Stallecke, an einer Wand einquetscht. Ein kollabiertes Pferd, welches auf dem Brustkorb eines Menschen lastet, führt nicht selten zum Ersticken des Menschen. 600 kg Masse verhindert die Atemraumvergrößerung, die zum Einatmen notwenig ist, komplett. …

Vergiftung: Raus aus der Box

Schon zur Eigensicherung, aber auch um ein vergiftetes Pferd besser behandeln zu können und einem Tierarzt möglichst optimale Bedingungen zu bieten, ist es bei jedem Vergiftungsverdacht sofort nötig, das Pferd auf einen Sandplatz, eine Reithalle zu bringen, oder aber auf der Weide oder einem Paddock zu belassen. Besser ist es, die gesunden Pferde vom Notfallpatienten zu separieren. Je eher ein Pferd z.B. in eine Reithalle gestellt wird, desto einfach bekommt man/frau das Pferd noch dahin. Liegt ein Pferd erst, legt es sich in einer Box rasch fest und ist in der Praxis kaum noch zu bewegen und schwer zu versorgen. Ein weiter, geschützter Ort, der auch noch vernünftig ausgeleuchtet ist, garantiert, dass ein Veterinär optimale Bedingungen hat. Und das wollen wir ja.